Die Konstellation, dass der Pflichtteilsanspruch vererbt wird, findet sich in der Praxis insbesondere beim sogenannten Berliner Testament: Die Eltern setzen sich gegenseitig zu Alleinerben ein und die Kinder zu Schlusserben, die Kinder sind nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils pflichtteilsberechtigt. Dieser Pflichtteilsanspruch wird häufig nicht geltend gemacht. Verstirbt der andere Elternteil, vereinigen sich Pflichtteilsanspruch und die Verbindlichkeit des letztverstorbenen Ehegatten in der Person des Schlusserben (Konfusion). Im Erbschaftssteuerrecht gelten derartige durch Konfusion zivilrechtlich erloschenen Rechtsverhältnisse gemäß § 10 Abs.3 ErbStG als nicht erloschen.
Diese Fiktion berechtigt den (ursprünglich) Pflichtteilsberechtigten als Erben des nachverstorbenen Alleinerben, die Geltendmachung des Pflichtteils fiktiv nachzuholen und als Nachlassverbindlichkeit in Abzug zu bringen, wodurch sich seine Steuerbelastung vermindert. Jedoch reicht, wie der BFH am 05.02.2020 entschieden hat, die Konfusion nicht so weit, dass der zivilrechtlich durch Konfusion erloschene Anspruch steuerrechtlich auch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung verjährt war. Die den letztversterbenden Elternteil beerbenden Kinder können also nur dann den Pflichtteil nach dem vorverstorbenen Elternteil geltend machen und als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, wenn der überlebende Elternteil innerhalb der Pflichtteilsverjährungsfrist von drei Jahren verstirbt.